Ehrenamtliche Richter

Welche Bedeutung haben ehrenamtliche Richter/innen?

Ehrenamtliche Richter/innen sind Mitglieder der in der Sozialgerichtsbarkeit existierenden Spruchkörper. Eine Kammer am Sozialgericht besteht aus zwei ehrenamtlichen Richter/innen und einem/einer Berufsrichter/in. Ein Senat am Landessozialgericht besteht aus zwei ehrenamtlichen Richter/innen und drei Berufsrichter/innen. 

Die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter/innen an der Rechtsprechung ist ein wesentliches Element deutscher Gerichtsbarkeit. Ihr kommt als praktische Umsetzung des Demokratieprinzips große Bedeutung zu. Die ehrenamtlichen Richter/innen sollen die in ihrem täglichen, beruflichen und sozialen Umfeld gewonnenen Erfahrungen, Kenntnisse und Wertungen in die Verhandlungen und gemeinsamen Beratungen einbringen und damit die stärker juristisch geprägte Sichtweise der Berufsrichter sinnvoll ergänzen.

Welche Aufgaben haben ehrenamtliche Richter/innen?

Aufgabe der ehrenamtlichen Richter/innen ist es an einem über eine Klage zu fällenden Urteil mitzuwirken. Im Regelfall beinhaltet dies die Teilnahme an der vorangehenden mündlichen Verhandlung. Während dieser nehmen die ehrenamtlichen Richter/innen neben den Berufsrichtern an der Richterbank Platz. Sie haben während der Verhandlung dieselben Rechte (insbesondere Fragerecht gegenüber den Beteiligten) und Pflichten wie die Berufsrichter. An vorbereitenden Maßnahmen sind die ehrenamtlichen Richter/innen nicht beteiligt. Sie werden erst in der mündlichen Verhandlung nach Aufruf der Sache über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist über die gestellten Anträge zu entscheiden. Zu diesem Zweck ziehen sich die ehrenamtlichen Richter/innen zusammen mit den Berufsrichtern zu einer geheimen Urteilsberatung zurück. Im Rahmen der Urteilsberatung und der folgenden Abstimmung steht den ehrenamtlichen Richter/innen dasselbe Stimmrecht zu wie den Berufsrichtern und sind dabei nur an Recht und Gesetz gebunden; in diesem Rahmen entscheiden sie jedoch nach ihrer freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die ehrenamtlichen Richter/innen sind wie auch die Berufsrichter verpflichtet über den Hergang der Beratung Stillschweigen zu bewahren (Beratungsgeheimnis). Im Anschluss wird das Verfahren neu aufgerufen und der vorsitzende Berufsrichter verkündet das beratene und abgestimmte Urteil. 

Daneben wirken ehrenamtliche Richter/innen bei den – deutlich seltener vorkommenden – Urteilen ohne mündliche Verhandlung mit. Dieser Fall unterscheidet sich lediglich dadurch, dass eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht stattfindet. Ein/e Berufsrichter/in stellt den ehrenamtlichen Richter/innen im Beratungszimmer den zu entscheidenden Sachverhalt dar und es wird direkt beraten und abgestimmt wie zu entscheiden ist. Auch in dieser Beratung haben die ehrenamtlichen Richter/innen dieselben Rechte und Pflichten wie die Berufsrichter.

Wie werde ich ehrenamtliche/r Richter/in?

Für die Berufung zum/r ehrenamtlichen Richter/in ist in Mecklenburg-Vorpommern der Präsident des Landessozialgerichts zuständig. Eine direkte Bewerbung ist leider nicht möglich. 

Der Präsident entscheidet aufgrund von eingereichten Vorschlagslisten, die je nachdem, für welche Spruchkörper ehrenamtliche Richter/innen zu berufen sind, von unterschiedlichen Einrichtungen erstellt werden, da die ehrenamtlichen Richter/innen je nach Sachgebiet, in dem sie tätig sein sollen, bestimmten Personengruppen angehören müssen. 

Die eigentliche Berufung erfolgt durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde. Vor der ersten Amtshandlung (Teilnahme an einer Sitzung) hat die/der ehrenamtliche Richter/in einen Eid zu leisten. 

Vorschlagsberechtigt sind für die Kammern: 

1. für Angelegenheiten der Sozialversicherung (z.B.: Rentenverfahren, Arbeitsunfälle, Kranken­ver­sicherung), der Grund­sicherung für Arbeitssuchende (ALG II) einschließlich der Streitigkeiten aufgrund des § 6a des Bundes­kindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung (ALG I):

  • die Gewerkschaften,
  • die selbstständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung und
  • die im Gerichtsbezirk vertretene Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Erfüllung dieser Aufgaben bieten sowie
  • Vereinigungen von Arbeitgebern und Bundes- oder Landesbehörden

 

2. für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts (z.B.: Grad der Behinderung):

  • die Landesversorgungsämter oder Stellen, denen deren Aufgaben übertragen worden sind,
  • im Gerichtsbezirk vertretene Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Erfüllung dieser Aufgaben bieten und
  • Gewerkschaften und selbstständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung.

 

3. für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts

  • die kassenärztlichen- und kassenzahnärztlichen Vereinigungen und
  • die Zusammenschlüsse der Krankenkassen.

 

4. für Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes die Kreise und die kreisfreien Städte.

Unter welchen Voraussetzungen kann ich ehrenamtliche/r Richter/in werden?

Allgemeine Voraussetzungen:

  • Der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit.
  • Ein für die verschiedenen Instanzen erreichtes Mindestalter von 

25 Jahren für die Tätigkeit bei den Sozialgerichten,

30 Jahren für die Tätigkeit am Landessozialgericht und von

35 Jahren für die Tätigkeit am Bundessozialgericht.

  • Der Wohnsitz oder die gewerbliche oder berufliche Niederlassung liegt innerhalb des Sozialgerichtsbezirks.
  • Für die Berufung an das Landessozialgericht oder das Bundessozialgericht sollte eine mindestens fünfjährige Tätigkeit als ehrenamtliche Richterin oder ehrenamtlicher Richter an einem nachgeordneten Gericht ausgeübt worden sein.
  • Es darf kein Ausschlussgrund vorliegen. Ausgeschlossen ist,
    • wer infolge eines Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt oder wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist
    • wer wegen einer Tat angeklagt ist, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann oder
    • wer das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag nicht besitzt.

Besondere Voraussetzungen: 

Ehrenamtliche Richter/innen müssen je nach Sachgebiet, in dem sie tätig sein sollen, bestimmten Personengruppen angehören. Dies hat seinen Hintergrund darin, dass die ehrenamtlichen Richter/innen ihre spezielle Sachkunde einbringen sollen. Für die einzelnen Sachgebiete existieren die folgenden besonderen Voraussetzungen:

  • Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung (z.B.: Rentenverfahren, Arbeitsunfälle, Krankenversicherung) und Streitigkeiten über Angelegenheiten der Grundsicherung (ALG II) für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten aufgrund von § 6 a Bundeskindergeldgesetz und der Arbeitsförderung (ALG I):
    • Ein/e ehrenamtliche/r Richterin aus dem Kreis der Versicherten und
    • Eine/r aus dem Kreis der Arbeitgeber
    • Streitigkeiten in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts (z.B.: Grad der Behinderung):
    • ein ehrenamtliche/r Richter/in aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen (z.B.: Bedienstete der Versorgungsverwaltung oder von Sozialversicherungsträgern soweit sie auf diesem Gebiet besondere Kenntnisse erworben haben)
    • ein ehrenamtliche/r Richter/in aus dem Kreis der Versorgungsberechtigten, der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Sozialgesetzbuchs und der Versicherten
      • Streitigkeiten in Angelegenheiten des Vertragsarztrechts:
        • ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und
        • ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten
    • Bei Streitigkeiten in Angelegenheiten der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten wirken als ehrenamtliche Richter nur Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit.
    • Bei Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes wirken ehrenamtliche Richter/innen aus den Vorschlagslisten der Kreise und der kreisfreien Städte mit.

Kann ich für Fehlurteile haftbar gemacht werden?

Nein! Das aus dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit folgende Spruchrichterprivileg gilt auch für ehrenamtliche Richter/innen, so dass eine Haftung für Fehlurteile ausgeschlossen ist.

Wie werden ehrenamtliche Richter/innen entlohnt?

Ehrenamtliche Richter/innen erhalten eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen und Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz - kurz: JVEG). Danach erhält der ehrenamtliche Richter - soweit zutreffend - als Entschädigung: 

  • Fahrtkostenersatz
  • Entschädigung für Aufwand
  • Ersatz für sonstige Aufwendungen
  • Entschädigung für Zeitversäumnis
  • Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung
  • Entschädigung für Verdienstausfall 

Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er nicht binnen drei Monaten nach

Beendigung der Amtsperiode bei der Stelle geltend gemacht wird, die den/die ehrenamtliche/n

Richter/in herangezogen hat. Die Frist kann auf Antrag verlängert werden.

Heranziehung zu einem konkreten Termin

Wie wird ermittelt welche/r ehrenamtliche Richter/in zu welcher Verhandlung zu laden ist?

Bei Gericht werden Listen geführt, aus welchen sich die Reihenfolge der Heranziehung der ehrenamtlichen Richter/innen ergibt. Hierdurch wird sichergestellt, dass es dem Zufall überlassen bleibt, welche ehrenamtlichen Richter/innen in welcher Sache entscheiden und nicht etwa bestimmte Personen herangezogen werden.

Wie erhalte ich von den Terminen Kenntnis?

Wenn ich nach der bei Gericht geführten Liste an der Reihe bin, werde ich zur mündlichen Verhandlung geladen und muss an diesem Tage bei Gericht erscheinen.

Was ist, wenn ich zu dem geladenen Termin verhindert bin?

Grundsätzlich muss ein/e ehrenamtliche/r Richter/in der Ladung Folge leisten. Lediglich bei einer genügenden Entschuldigung (Krankheit, Urlaub, etc.) wird die Ladung aufgehoben. Ein solcher Fall ist umgehend dem Gericht mitzuteilen, damit ein/e Ersatzrichter/in geladen werden kann.

Wie ist ein Amt als ehrenamtliche/r Richter/in mit meinem Beruf vereinbar?

Gegenüber dem Arbeitgeber besteht ein Freistellungsanspruch. 

§ 20 SGG stellt sicher, dass ein ehrenamtlicher Richter in der Übernahme oder Ausübung seines Amtes oder wegen der Übernahme oder Ausübung seines Amtes nicht benachteiligt wird. Geschieht dies dennoch droht Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Für den Arbeitgeber besteht die Verpflichtung die Tätigkeit seines Arbeitnehmers als ehrenamtliche/r Richter/in zu dulden und das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Betätigung als ehrenamtliche/r Richter/in zu kündigen. Benachteiligungen und Beschränkungen etwa bei der Urlaubsgewährung, bei Dienstbefreiungen oder bei Beförderungen sind, wenn sie wegen der Übernahme oder der Ausübung des Amtes geschehen, nicht zulässig.

Wie lange dauert die Amtszeit als ehrenamtliche/r Richter/in?

Die Berufung erfolgt für eine Dauer von fünf Jahren. Die Amtszeit endet ohne besonderen Aufhebungsakt grundsätzlich nach Ablauf dieser Frist. Ehrenamtliche Richter/innen bleiben jedoch so lange im Amt bis ein Nachfolger für sie berufen wurde. Eine erneute Berufung des/derselben ehrenamtlichen Richters/in ist zulässig und übliche Verfahrenspraxis. 

Vorzeitig endet die Amtszeit,

  • wenn ein/e ehrenamtliche/r Richter/in in einen höheren Rechtszug der Sozialgerichtsbarkeit berufen (Landessozialgericht, Bundessozialgericht) wird
  • auf deren/dessen begründeten Antrag aus dem Amt entlassen zu werden. Der Antrag ist begründet, wenn
    • er/sie durch die ehrenamtliche Tätigkeit für die Allgemeinheit so in Anspruch genommen wird, dass ihm/ihr die Übernahme des Amtes nicht mehr zugemutet werden kann,
    • er/sie aus gesundheitlichen Gründen verhindert ist das Amt ordnungsgemäß auszuüben oder
    • er/sie glaubhaft macht, dass wichtige Gründe die Ausübung des Amtes in besonderem Maße erschweren oder
    • er/sie den Gerichtsbezirk verlässt, so dass die Heranziehung deutlich erschwert wird.
    • wenn der/die ehrenamtliche Richter/in vom Amt entbinden (z.B.: Wegfall einer Voraussetzung der Berufung – Arbeitsgebereigenschaft) oder des Amtes enthoben (grobe Verletzung der Amtspflichten) wird.

Rechtsgrundlagen 

§§ 1 bis 35 Sozialgerichtsgesetz 

 

Haben Sie weitere Fragen? 

Wir erteilen Ihnen gerne Auskunft: 

Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern

Tiergartenstraße 5

17235 Neustrelitz

Tel: 03981/255-250